Film des Monats Februar 2018 •
Ein ›killing spree‹ bezeichnet im Englischen ein Blutbad. Im australischen Poetryfilm »Spree« von Martin Kelly ist einiges davon zu sehen. Doch das eigentliche Grauen bleibt ausgespart. Der Film basiert auf einem Gedicht des in Kanada geborenen und seit langem in Australien lebenden Künstlers Ian McBryde..
Verbrechen ist das große Thema der Krimis und des Kriminalfilms. Genres, von denen man nicht einmal mehr sagen mag, dass sie boomten oder Konjunktur hätten. Vielmehr werden wir geradezu von Schemaliteratur und mittelmäßigen Fernsehfilmen überschwemmt. In der zeitgenössischen Lyrik dagegen wird die Auseinandersetzung mit der sozialen Realität des Verbrechens seltener gesucht.
Der aus Kanada stammende, aber nach Australien ausgewanderte Lyriker Ian McBryde (Jg. 1953) bildet hier eine interessante Ausnahme. Seit den frühen 1990ern publizierte er sieben Gedichtsammlungen, darunter Equatorial (2001), Domain (2004) und The Adoption Order (2009). Die beiden letzten Bände wurden für den Victorian Premier’s Prize ausgewählt. Sein neuester Gedichtband trägt den Titel We the Mapless und erschien im Februar 2017. McBryde ist in verschiedenen künstlerischen Feldern wie der Fotografie, der Musik und der Illustration bewandert, seine Vorliebe gilt jedoch der Lyrik. Egal, ob es in seinen Texten um Verbrechen geht oder nicht: Seine Stimme gleicht der eines Krimirezitators. Und das wirkt sich auch auf die Stimmung des Poetryfilms Spree aus.
Für das Video des Regisseurs Martin Kelly hat Ian McBryde, der im Film selbst in der Rolle eines fingierten Nachrichtensprechers zu sehen ist, den größten Teil der visuellen Erzählung erfunden. Der Filmemacher beschränkte sich auf den Dreh und die Postproduktion. Am Sound haben beide zusammen gefeilt.
Das englische Wort ›Spree‹ hat ein buntes Bedeutungsspektrum. Neben der ›shopping spree‹, der Einkaufstour, oder der ›drinking spree‹, der Sauftour, meint ›killing spree‹ das blutige Gemetzel des Tötens. Im Gedicht, das auf dem Papier visuell einem Bumerang gleicht, der auf uns zurückgeschossen kommen kann, wird das Grauen dieses Gemetzels durch eine Liste der Phrasen angedeutet, durch die Verbrechensmeldungen in den Nachrichten eingeleitet werden. Im Film wird es von McBryde gesprochen und gleichzeitig als Text unterhalb der bewussten Wahrnehmungsschwelle eingeblendet.
Der Film macht sich Klischees der Horrorästhetik und ihre Gruseleffekte zu eigen. So bleibt vieles im unklaren: Messer, Gummihandschuhe, der Herzschlag, Kleidungsreste in Blutlachen, Blutspritzer an der Wand sind zwar deutlich; der Täter und seine Tat kommen jedoch nie vollständig ins Bild. Handlungen werden oftmals abgeblendet, Körper nur in Ausschnitten gezeigt. Gedicht und Film spielen mit dem Unheimlichen als dem Nicht-Gesagten, Nicht-Gezeigten.
Spree wurde an zwei Tagen in einem verlassenen Gebäude neben einem Einkaufszentrum gedreht. Kelly/McBryde mussten in das Haus einbrechen und sich darin einsperren, damit die herumlaufenden Einkäufer ihnen nicht begegneten. Am Ende des Drehs stellten sie fest, dass das Gelände inzwischen verschlossen war. Sie kletterten schließlich unter einem Zaun durch, um die Ausrüstung unter den misstrauischen Blicken vorbeifahrender Autos zurückzutragen.
Im Hintergrund sehen wir als tautologisches Indiz der Wahrheit gleich dreimal die identische Uhrzeit von Melbourne. Ist das Ironie? Zumindest ist es eigenartig. Das Gedicht scheint aus einer anderen Zeit zu stammen. Die Zeitschrift The Economist erklärte Melbourne 2017 zu den lebenswertesten Städten der Welt – u. a. wegen der niedrigen Verbrechensrate in der Stadt.
Informationen zum Film |
SPREE Australien 2017 • Realfilm • 1:35 min Regie: Martin Kelly u. Ian McBryde Text: Ian McBryde Produzenten: Martin Kelly u. Ian McBryde Schauspieler: Ian McBryde |