Ein Werkstattbericht über die Masterschool poetryfilm 2016–2017 in Münster und Nijmegen.
Was passiert, wenn lyrische Texte auf bewegte Bilder treffen, wenn der Wortsinn des Textes auf die ikonografischen Zeichen des Films trifft, wenn der Klang der vorgetragenen Worte die Funktion des Musikscores übernimmt?
Seit längerer Zeit beschäftigt sich die Filmwerkstatt Münster als Werkstatt für Independentfilm und MediaArt mit dem Genre Poesiefilm. So ist sie seit 2015 auch Veranstalter des ZEBRA Poetry Film Festivals Münster – Berlin. In 2016/2017 sind einige bemerkenswerte Produktionen entstanden, die ich hier vorstellen möchte.
Ausgangspunkt Gedicht – Masterschool poetryfilm: Across the border
Internationale Filmprojekte können kompliziert werden, da hier neben der anderen Sprache auch kulturelle Differenzen zum Tragen kommen. Wenn es dann um Poesiefilme geht, ist Übersetzungsarbeit in vielfacher Hinsicht gefragt.
In der Regel bereichern derartige Projekte jedoch die Arbeit und die eigene Wahrnehmung. So auch bei diesem Projekt. Die Voraussetzungen waren gut: Die Filmwerkstatt in Münster und die Künstlervereinigung DZIGA in Nijmegen, Niederlande, kennen sich seit geraumer Zeit und sind ähnlich aufgestellt. In den Vereinen haben sich Filmemacher, Videokünstler sowie Kinomacher und Festivalveranstalter zusammengeschlossen, um den unabhängigen Film und artverwandte Medienprodukte zu befördern.
Ich traf mich mit Ellen Kocken (Dir. DZIGA) und Thomas Zandegiacomo (künstlerischer Leiter des ZEBRA Poetry Film Festival) im Herbst 2015 in Nijmegen, und in einigen Stunden hatten wir in einem brainstorming die Eckdaten für diesen encounter festgelegt, der zur Masterschool poetryfilm: Across the border führte. Nachdem das Konzept ausgearbeitet war, begann die mühsame Suche nach einer entsprechenden Finanzierung. Da die Filmwerkstatt seit ca. 25 Jahren enge Beziehungen in die Niederlande pflegt und wiederholt binationale Projekte durchgeführt hat, waren die Adressaten bekannt: es halfen u. a. der Fonds Soziokultur und das EUREGIO/Interreg-Programm.
Nach der öffentlichen Ausschreibung führten wir im April 2016 eine kick-off-Veranstaltung auf dem ›Boekenbal voor Lezers‹ in Nijmegen durch. In den Niederlanden gibt es einmal jährlich diese Veranstaltung, auf der im ganzen Land Literatur präsentiert wird und in allen Städten und Gemeinden Veranstaltungen dazu durchgeführt werden. Hier wird der hohe Stellenwert von Literatur in unserem Nachbarland deutlich.
Als Ausgangspunkt für unsere Poetryfilme hatten wir vier Gedichte von Frouke Arns, die zu diesem Zeitpunkt Stadtdichterin in Nijmegen war, ausgewählt. Auf einer Lesung stellte sie ihre Gedichte vor, und wir erläuterten dem Publikum unsere Vorstellungen zu dem workshop.
Für die fachliche Leitung konnten wir die Experimentalfilmerin und Hochschuldozentin Bea de Visser (Rotterdam) und den Filmkünstler Rainer Komers (Mülheim/Berlin), der auch selber Lyrik schreibt, gewinnen. Aus den zahlreichen qualifizierten Einsendungen der Ausschreibung wählten wir dann 4 FilmemacherInnen aus. Die Kriterien waren: junger Künstler, interessanter künstlerischer Ansatz, ausgewogenes Geschlechterverhältnis und je zwei deutsche und niederländische Regisseurinnen.
Auf drei workshops in Nijmegen und Münster im Sommer 2016 wurden die einzelnen Filmvorhaben in der Gruppe mit den Dozenten besprochen und weiterentwickelt. Aufgrund der Rahmenbedingungen – jeder erhielt ein Produktionsbudget von 1.500 € und bei Bedarf Beistellungen bzgl. Technik und Produktion von der Filmwerkstatt Münster – war hier Kreativität gefragt.
Genremäßig gab es verschiedene Ansätze. Während das Team Ruut van der Beele & Jonah Falke und auch Sina Seiler den Plot eines Gedichts für einen narrativen Kurzfilm umschrieben, setzte sich Victorine van Alphen experimentell mit dem Gedicht auseinander und Christian Fries hat als ›Autorenfilmer‹ einen eher essayistischen Ansatz gewählt. Dementsprechend waren die Produktionsweisen auch sehr unterschiedlich und gingen von klassischer (low-budget) Spielfilmproduktion bis hin zu künstlerischen und semidokumentarischen Arbeitsweisen, in denen dann die Montage von z. T. selbstanimierten Filmen und footage mit dem sounddesign in Eigenproduktion stattfand.
Interessant waren bei dieser Herangehensweise u. a. die Diskussionen, wie weit sich der Film von der Vorlage entfernen dürfe und ob er den Text oder Fragmente beinhalten müsse. Hierbei war klar, dass der lyrische Text in irgendeiner Form erkennbar sein sollte, der Film aber auch eine eigene Handschrift und Autonomie gegenüber dem Text behaupten muss. Diese Aufgabe wurde dann auf sehr unterschiedliche Weise gelöst. Dabei half auch die Zusammensetzung der Gruppe, die offen und ohne Vorbehalte diskutieren konnte. Aufgrund der unterschiedlichen Herkunft und Ausbildung der Teilnehmer – Film, Theater, bildende Kunst – waren die Diskussionen anregend und gaben neue Impulse für die Gestaltung. Die Teilnehmer unterstützten sich gegenseitig in den inhaltlichen Debatten, aber auch in technischen Fragen und spielten in anderen Produktionen mit. Die Postproduktion mit Tonmischung, Farbkorrektur und Endfertigung bis zum DCP fürs Kino war dann noch mal aufwändiger als geplant, hat sich aber letztlich gelohnt.
Die Premiere fand am 29.10.2016 auf dem ZEBRA Poetry Film Festival Münster/ Berlin im Kino Schloßtheater in Münster statt. Seitdem reichen wir die Filme bei einschlägigen Kurzfilmfestivals ein und suchen Nachspieler.
Hier die Filme im Einzelnen:
Ebenbild | Counterpart
D/NL 2016 | 10:42 min
Regie: Victorine van Alphen
Gedicht: Ebenbild Frouke Arns
Ein Dialog für die Menschen, Männer und den Weltraum.
Ein Mann fährt ein Auto, ein Mann steht in der Landschaft,
ein Mann zieht seine Schuhe an, ein Mann posiert im Raum,
der Raum posiert für den Mann.
A dialogue for Man, Men and Space.
A man drives a car, a man stands in a landscape,
a man puts on his shoes, man poses in space,
space poses for man.
Victorine van Alphen (geb. 1988) arbeitet als audiovisuelle Künstlerin, Filmemacherin und Philosophin. Nach ihrem Abschluss in Philiosophie an der Universität von Amsterdam begann sie ein Studium an der Gerrit Rietveld Academy mit dem Schwerpunkt Experimentalfilm.
Born 1988, works as audiovisual artist, filmmaker and philosopher. After finishing her Philosophy Bachelor at the University of Amsterdam she pursued her curiosity at the Audiovisual Department of the Gerrit Rietveld Academy (University of applied sciences for Fine Arts and Design) where she specialized in experimental film.
Film | Film
D/NL 2016 | 29:00 min
Regie: Christian Fries
Gedicht: Landstreicher Frouke Arns
Der Film Film beschäftigt sich in assoziativer Form mit Formen der Abhängigkeit und der Bedrohung persönlicher Autonomie. Er thematisiert emotionales Ungleichgewicht, Angst, Nacktheit.
Ausgangspunkt für Drehbuch und Szenenfindung war das Gedicht Landstreicher von Frouke Arns, das in verschiedenen Formen Eingang in den Film gefunden hat.
Die Filmsprache ist teils dokumentarisch, teils fiktional, teils abstrakt im Sinne von Träumen, die sich zwischen reinen Farbbildern und szenischen Konkretisierungen bewegen.
The Film Film is about forms of dependence and threats towards personal autonomy. It engages with the themes of emotional inequality, Fear, and Nakedness. The inspiration for the film was Frouke Arn’s poem Countrymen by Frouke Arns. Film is part documentary, part fictional, and sometimes abstract and dreamlike, moving between pictures of color and landscapes.
Christian Fries arbeitet als Autor, Theater- und Filmemacher. Er war 2010 zum Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb eingeladen.
Christian Fries is an author, filmmaker, and a director of plays. He was invited to participate in 2010 at the Ingeborg-Bachmann competition.
Kismo | Kismo
D/NL 2016 | 08:00 min
Regie: Ruut van der Beele, Jonah Falke
Gedicht: Grundriss Frouke Arns
Ein Mann sitzt in seinem Sessel. Sein Sohn und seine Enkelin verabschieden sich. Kurz bevor sie das Zimmer verlassen, öffnet der Sohn noch das Fenster.
Nach einer Weile steht der Mann auf, nimmt seine Jacke und geht ebenfalls. Ein Vogel taucht im Fenster des verlassenen Zimmers auf. Er schaut sich um und fliegt hinein.
Als der Mann zurückkehrt, entdeckt er den umherfliegenden Vogel. Er hat keine Angst vor dem Vogel, der Vogel auch nicht vor ihm. Ist es möglich, mit jemandem Freundschaft zu schließen, den man nicht kennt? Kann man etwas vermissen, was man nicht kennt?
A man is sitting in his chair. His son and granddaughter say goodbye. Just before they leave the room the son opens the window.
After a while the man stands up, takes his jacket and also leaves. In the empty room a bird appears in the window frame. He looks around and flies into the room.
When the man comes back he looks at the bird flying around. He is not scared of the bird, so neither is the bird of him. Are you allowed to make friends with something you don’t know? And are you able to miss things you don’t know?
Ruth van der Beele (geb. 1971) ist Filmemacherin, Jonah Falke (geb. 1991) ist Autor, beide aus den Niederlanden. Dies ist ihr erster gemeinsamer Film. Beide haben zusammen das Drehbuch geschrieben und Regie geführt.
Ruut van der Beele (born 1971) is a filmmaker and Jonah Falke (born 1991) is a writer, both from the Netherlands. It’s the first time that they made a film together. For the film “Kismo” they wrote and directed together.
Vierfarbendruck | Four Colours
D/NL 2016 | 08:02 min
Regie: Sina Seiler
Gedicht: Dolce far niente Frouke Arns
Ein Paar träumt von einem selbstbestimmten Leben. Eine neue Situation konfrontiert beide mit dem, was in ihrem gemeinsamen Alltag vom Traum übrig geblieben ist.
A couple dreams of a self-determined life. A new situation confronts the two as they forget about the essence of their ordinary, quotidian lives to chase their dreams.
Sina Seiler, Film- und Medienstudium an den Universitäten Karlsruhe (KIT), Tübingen und DAMS (Drama, Arts and Music Studies) Bologna, Italien. Sie arbeitete mehrere Jahre am ZKM (Zentrum für Kunst und Medientechnologie) Karlsruhe. Mit dem Poetryfilm Elefant (2013) war sie auf vielen internationalen Literatur- und Filmfestivals sowie dem ZEBRA Poetry Film Festival 2014 vertreten.
Sina Seiler, Film and Media Studies at University of Karlsruhe (KIT), Tübingen and DAMS (Drama, Arts and Music Studies) Bologna, Italy. She worked for many years at the ZKM (center for Art and Media Technology) at Karlsruhe. Her work, the Poetryfilm Elephant (2013), was shown in the 2014 ZEBRA Poetry Film Festival, and among many other international literature and film festivals.
Ausgangspunkt Film – Stummfilm mit Lesung
Einen ganz anderen Weg sind wir mit dem Format Stummfilm & Poesie gegangen. Der niederländische Poet Jan Baeke hatte 2003 zur Biennale des Filmmuseums in Amsterdam das Programm 35mm POEM entwickelt. Hier sollte der in frühen Stummfilmen eingesetzte Erzähler durch einen zeitgenössischen Dichter ersetzt werden. Neben Erik Lindner nahmen an dem Programm auch Mustafa Stitou, K. Schippers und Arjen Duinker teil.
Ich fand diese Art der Präsentation interessant, weil hier Bild und Ton/Performance eine ganz eigene Symbiose eingehen. Die Erzählung, Dramaturgie und Rhythmus des Films müssen zu dem Thema, Aufbau und dem Duktus der Sprache neu konstruiert werden und ergeben ein neues audiovisuelles Werk. Auf meine Frage, ob wir denn einen Musiker bei den Aufführungen bräuchten, antwortete Erik, das sei nicht notwendig, da der lyrische Text die Funktion der Filmmusik übernehme.
Wir haben die Idee aufgegriffen und für das Programm von Erik Lindner das Filmmaterial und die Rechte aus den Archiven besorgt, Untertitel in Deutsch angelegt und eine Kinokopie (DCP) erstellt.
Erik Lindner hatte sich den (Stumm-)Film Images d’Ostende (1929) von Henry Storck ausgewählt. Auf den Rhythmus der Bilder/Montage schrieb er dann sein Gedicht Ostende und las aus dem Gedichtzyklus Sog, der während eines Aufenthalts in Ostende entstanden war. Er ließ sich also von dem Film für sein Gedicht inspirieren und übernahm formale Elemente (die Verse haben die Länge einzelner Einstellungen). Hierdurch bekommen die Bilder der winterlichen See eine Tiefe, wie auch die Texte sich zu eindringlichen Wort-Bildern verdichten.
Maßgeblich beeindruckt hatte ihn auch der Film Une histoire de vent (1988) von Joris Ivens, den er als Jugendlicher in einem besetzten Haus sah, und dem er ein gleichnamiges Gedicht widmete. Außerdem wurden Fragmente aus folgenden Filmen gezeigt: Scheveningen (1931) von G. J. Kiljan, zusammen mit der Gedichtreihe Legitimationen, die in Duindorp bei Scheveningen entstand; Rotterdam Binnenstad (1920), Bilder des alten Zentrums Rotterdams aus der Vorkriegszeit, zusammen mit dem Zyklus Der Schlüssel, Hoogstraat (1929) von Andor von Barsy; Ausschnitte aus La Coquille et le Clergyman (1928) von Germaine Dulac (»non pas un rêve // mais le monde des images luis-même entraînant l’esprit où il n’aurait jamais consenti à aller, le mécanisme en est à la portée de tous.«) und The Chinese of Katendrecht, Rotterdam (1925).
Film trifft Gedicht – Port Bou
Bei der Arbeit an dem in Münster mit dem flämischen Kunsthaus De Buren durchgeführten City-Book-Projekt – das sind künstlerisch gestaltete Stadtführer, die als Audiofile im Internet abrufbar sind – hatte ich den niederländischen Lyriker Erik Lindner kennengelernt. Auf einer Lesung im Literaturverein Münster trug er u. a. das Gedicht 18. September 1994 vor.
Einige Zeit vorher machte ich auf einer Recherchereise durch die Pyrenäen zu Kurt Tucholskys Reisebildern einen Abstecher nach Port Bou und hatte Material im Zusammenhang mit Flucht und letzter Station von Walter Benjamin gedreht. Ich zeigte Erik eine unvollendete Rohschnittfassung für einen kurzen experimentellen Film, und wir kamen überein, daraus einen Poetryfilm zu montieren.
Um einen unvoreingenommenen Blick auf das Material zu bekommen, fragte ich den Filmemacher und Cutter Julian Isfort, ob er das Material noch einmal sichten und neu organisieren könnte. In der Folge legten wir die Audiospur, die bei Lyrikline bereits zur Verfügung stand, unter die Bilder und erarbeiteten einen Vorschlag, den wir dann mit Erik besprachen. Nachdem wir die Audiospur noch mal neu (im niederländischen Original) aufgenommen und die Rechte/Lizenzen abgeklärt hatten, konnten wir den Poetryfilm (mit deutschen Untertiteln) fertigstellen. Wir suchen nun Abspielstätten oder bieten den Film für Lesungen an. Zur Zeit ist eine englisch untertitelte Fassung für den internationalen Vertrieb in Arbeit.
Filme über Literatur – Dokumentarfilme von J. A. Jansen
Mit John Albert Jansen arbeiten wir schon länger zusammen. Thomas Zandegiacomo Del Bel hatte uns 2015 auf seine Dokumentarfilme über Dichter aufmerksam gemacht. Seitdem zeigen wir seine Filme im filmclub münster, und er unterrichtet in unserer Dokumentarfilmschule.
Eigentlich gehen diese Filme über den rein dokumentarischen Charakter hinaus und verkörpern in sich selbst filmische Poesie, da Jansen eine eigene Form in Darstellung und Dramaturgie für seine Sujets entwickelt hat. Um diese Filme dem deutschen Publikum einfacher zugänglich zu machen, haben wir sie deutsch untertitelt und eine Kinokopie (DCP) erstellt.
Die Herstellung der Untertitel ist eine sehr besondere Übersetzungsarbeit, da hier außer der präzisen Übersetzung des Textes oder meistens des gesprochenen Wortes auch die Umstände der Vorführung und des Rezeptionsverhaltens seitens der Zuschauer berücksichtigt werden müssen. Das heißt in den meisten Fällen, dass zuerst eine Transkription hergestellt werden muß; manchmal liefert diese auch der Produzent oder es existiert eine ›Dialogliste‹ in einer englischen Version.
Nach der Übersetzung – der Übersetzer sollte hierbei den Film kennen und vorliegen haben – werden die einzelnen Sätze am Videoschnittplatz an die entsprechenden Stellen des Films platziert. Diese müssen dann an den Rhythmus der Sprache und die Länge der Einstellungen angepaßt werden.
Das ist eine sehr sensible Arbeit, da der Text – vor allem wenn die Protagonisten schnell sprechen oder aus einer Sprache übersetzt wird, die viele Worte benutzt – komprimiert werden muß. Zudem sollen die eingeblendeten Text-Blöcke möglichst einfach erfasst werden und einem durchschnittlichen Leserhythmus entsprechen. Es erfordert sprachliches Feingefühl, die einzelnen Sätze anzupassen; die (Text-)Informationen sollen vollständig sein, der Duktus der Sprache muss in Schriftsprache übersetzt werden, der Rhythmus der Untertitel soll dem der Sprecher entsprechen, und er muss die Schnitte des Films beachten.
Man könnte nun einwenden, dass die Übersetzung auch durch eine Sprecherstimme aus dem ›Off‹ geleistet werden könne, wie es die deutschen TV-Sender oft zu tun pflegen. Aus dramaturgischer Sicht muss man aber sagen, dass bei audiovisuellen Werken – und das ist der Film nun mal – der Ton mindestens 50% der Wirkung ausmacht. Gerade emotionale Gehalte werden über den Ton (die Stimme, Atmosphären, Musik) transportiert. Neben der Stimmfarbe der Protagonisten sind die sprachlichen Feinheiten im Originalton wie Humor, Ironie, Empörung von Bedeutung und lassen sich in einer guten Übersetzung nicht 1:1 abbilden. Dies alles würde untergehen bzw. dem Zuschauer vorenthalten, wenn der Film ›zugequatscht‹ wird.
Jedoch, hinsichtlich der grafischen Gestaltung von (Unter-)Titeln ist m. E. noch ein weites Feld auszuloten. Diese müssen ja nicht immer zwangsläufig als Block am unteren Rand ihr Dasein fristen, sondern könnten von vornherein in die visuelle Gestaltung des Films einfließen und möglicherweise filmische Formen erweitern.
Der Verlauf der Jahre – der Dichter Remco Campert | Verloop van Jaren – Dichter bij Remco Campert
NL 2016 | 75 min, OFmdt.UT
Ein Film über Wehmut, Vergänglichkeit und dem nahenden Tod; und der Poesie als Lebenselexier. Das Schreiben hält ihn glücklicherweise noch am Leben: »Poesie ist ein Akt der Selbstvergewisserung. Ich bestätige mir, dass ich lebe.«
Über ein Jahr lang besuchte J. A. Jansen ihn in seinem Haus. Wir lernen ihn kennen bei seinen täglichen Alltagsroutinen aber auch in eher intimen Momenten, wie bei der Aufnahme in einem Krankenhaus und Gesprächen mit seiner Tochter und seinen Freunden. Der Film lief 2016 als Eröffnungsfilm auf dem internationalen Dokumentarfilmfestival IDFA in Amsterdam.
Herta Müller: Das Alphabet der Angst | Herta Müller: Het Alfabet van de Angst
2015 | 55 Min., dt. UT
Eine Dokumentation über die rumänisch-deutsche Autorin Herta Müller: ihre Collagen, ihre Traumata und ihre Ängste. Die Verwirrung und Angst, die ihre Prosa charakterisieren, ziehen sich auch durch ihre Poesie. The Alphabet of Fear ist eine Suche nach den Wurzeln der Arbeit, der Todesangst und dem Hunger nach Leben, die alle ihre Schriften durchdringen. Es ist ein Film über ein Leben in Angst, mit der Literatur als einziger Waffe.
Das abwesende Land – Ein Treffen mit Adonis | Het afwezige land – Een ontmoeting met Adonis
2013 | 54 min, OmdtUT
Nein, ich habe kein anderes Vaterland
als die Wolken, die aufsteigen
aus der Verbindung zur Poesie
Ein Porträt über den syrisch-libanesischen Dichter Ali Ahmed Said Esber (geb. 1930)
In dem Film Das abwesende Land erzählt Adonis aus seinem Leben, von seiner Arbeit als Dichter, über Syrien, die arabische Welt und den Islam. Er liest aus seinen Werken und bringt mit seinem Freund, dem Sänger Azrié und anderen Musikerfreunden in einer intimen Session vertonte Gedichte zur Aufführung. Währenddessen schwebt die Kamera durch sein altes Land und durch die Stadt Beirut, wo Adonis einige Jahre gelebt hat.
Ende und Anfang: Treffen mit Wisława Szymborska | Einde en Begin: Een ontmoeting met Wisława Szymborska
2011 | 55 min, dt UT
Eine Reise durch Polen und die Stadt Krakau mit der polnischen Dichterin und Nobelpreisgewinnerin Wisława Szymborska. Eine Suche nach den ›Fragmenten der menschlichen Existenz‹, die sie freilegt und zu poetischen Goldstücken aufpoliert.
Alle Filme können einzeln oder auch als Paket bei uns gebucht werden. Gerne stellen wir den Kontakt zu den Autoren und Filmemachern her und sind bei Gestaltung von Programmen, Lesungen und Kinoevents behilflich. Ebenso bieten wir moderierte Kurzfilmprogramme mit Filmen des ZEBRA Poetry Film Festivals an. Diese können auf Wunsch thematisch oder nach Länderschwerpunkten zusammengestellt werden.
Filmwerkstatt Münster
Gartenstrasse 123
D-48147 Münster
0251 / 230 36 21
film@muenster.de
www.filmwerkstatt-muenster.de
Über den Autor |
Winfried Bettmer studierte an der WWU Münster Germanistik, Soziologie und Erziehungswissenschaften. Nach dem Studium Schauspiel und Regie in diversen Agitprop- und Theaterformationen. Seit 1987 Arbeit als Tonmeister bei zahlreichen Dokumentar- und Spielfilmproduktionen. Seit 1990 in der Filmwerkstatt Münster aktiv. Produktion von Kurz-, Dokumentar- & Spielfilmen sowie Kunst- und Videoinstallationen. Kurator zahlreicher Filmreihen. |