Creative, Magazin

C I N E P O E M – or – Take a Walk on the Wild Side

Die Filmszene ändert sich. Nicht nur in Deutschland suchen und finden FilmemacherInnen neue ästhetische Formen. Die Vision eines radikalen authentischen Kinos lebt, eines Kinos, das berührt, über Grenzen geht und einlädt, Film neu zu erfahren.

Das Genre Poetryfilm – als hybride Form – gibt dafür maßgebliche Impulse. Denn das interdisziplinäre Arbeiten ist hier immanent. Dokumentarische und fiktionale Ästhetik mischen sich, die Arbeit mit Laiendarstellern steht parallel zu der mit professionellen Schauspielern, Animation, Archivmaterial und inszenierte Szenen werden miteinander verwoben. Text findet traditionell auf der narrativen und auditiven Ebene, aber auch visuell statt.

Mit »lab/p – poetry in motion« wollten wir das Genre experimentell erkunden. Das Projekt wurde 2014 von OSTPOL e. V. in Kooperation mit dem Deutschen Literaturinstitut Leipzig (DLL), der Bauhaus-Universität Weimar und dem Bauhaus Film-Institut durchgeführt und von der Mitteldeutschen Medienförderung (MDM), der Sächsischen Landesanstalt für privaten Rundfunk und neue Medien (SLM), der Thüringer Staatskanzlei, DOK Leipzig und dem ZEBRA Poetry Film Festival unterstützt.

»lab/p – poetry in motion« ist ein wildes Projekt. Seine Filme entführen uns in Bereiche jenseits der gewohnten Wahrnehmung. LyrikerInnen und FilmemacherInnen erfinden mit prägnanten Visionen Sprache und Welt neu. Diese Unbedingtheit ist aufregend, aber nicht bequem. Die KünstlerInnen legen den Finger in emotionale Wunden, zwingen, sich mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen, entwickeln einen provokanten Diskurs über Gewalt, behandeln das Phänomen der Sprachlosigkeit. Sie spielen mit den Regeln des Raumes und der Rhythmen. Ihre Farben, Formen und Texte ignorieren bewusst das Korsett von Grammatik und Perspektive.

KünstlerInnen mit diesen dezidierten Positionen in einem Projekt zusammenzubringen, ist immer ein Abenteuer – und nicht ohne Risiko. Das Ergebnis kann ein Feuerwerk der Kreativität oder einfach nur gegenseitiges Unverständnis sein. Wenn unabhängige Kunst-Anarchisten aufeinander treffen, ist alles drin. Für »lab/p – poetry in motion« haben wir diesen Weg gemeinsam mit 18 AutorInnen und FilmemacherInnen gewagt. Schon der Prozess der Entstehung war dabei eine Herausforderung. In der Zusammenarbeit von AutorInnen und FilmemacherInnen ergab sich – jenseits der traditionellen Rollenverteilung von DrehbuchautorIn und RegisseurIn – ein aufrichtiger kooperativer Prozess.

Entstanden sind keine ›verfilmten Gedichte‹ sondern C I N E P O E Ms, für welche sich die Teams bewusst in einen Entwicklungsprozess auf Augenhöhe begeben haben. They took a walk on the wild side – haben mutig die Kontrolle über das jeweilige persönliche Sujet abgegeben, sich aufeinander eingelassen und gemeinsam Worte und Bilder gefunden.

Aus jedem Film spricht die individuelle künstlerische Handschrift des beteiligten Teams. Die Herkunftsländer der KünstlerInnen sind dabei international – China, Deutschland, Kolumbien, Russland und die Ukraine sind unter diesen vertreten. Dieser interkulturelle Aspekt bereichert die interdisziplinäre Zusammenarbeit um eine zusätzliche spannende Perspektive. Die Filme werden nicht nur weltweit zu Festivals eingeladen, aufgrund der Internationalität des Projekts erreichen uns auch Kooperationsanfragen von den verschiedensten Kontinenten. Im Mai haben wir mit großer Resonanz in Istanbul einen Poetryfilm Workshop durchgeführt. Die nun vorliegende Projektpublikation (ein Booklet inkl. DVD mit Filmen und Kurzinterviews) wird noch weiter zur Verbreitung beitragen. Es bleibt spannend und Ihr seid eingeladen, uns dabei zu begleiten.

     Die Projektfilme

  • Die Angst des Wolfs vor dem Wolf | The Wolf Fearing the Wolf
    Juliane Jaschnow und Stefan Petermann, D 2014, ca. 3 min
  • Ausgebranntes Haus | Burned House
    Eva-Maria Arndt und Antje Kersten, D 2014, ca. 4 min
  • Das Bild in dem Bild in dem Bild in dem Bild
    The Picture in the Picture in the Picture in the Picture
    Catalina Giraldo Veléz und Marlen Pelny, D 2014, ca. 4 min
  • Echo
    Damaris Zielke und Peter Thiers, D 2014, ca. 7 min
  • kanten deiner augen | Edges of your Eyes
    Melissa Harms und Yevgeniy Breyger, D 2014, ca. 5 min
  • kaspar hauserin
    Nelly Chernetskaya und Katia S. Ditzler, D 2014, ca. 3.40 min
  • 
Ohne Titel | Untitled
    Meng Chang und Daniel Schmidt, D 2014, ca. 3min
  • Rostock, Grand Café
    Susann Arnold und Moritz Gause, D 2014, ca. 4.30 min
  • Viva Violence
    Katharina Merten click und Johanna Maxl, D 2014, ca. 3 min
Über die Autorin© Álvaro José Gumucio Li_cdh-2

Cathy liebt Film, Musik und Poesie. Und statt sich für eine Gattung zu entscheiden, verfolgt sie alle: vor und hinter der Kamera, auf und hinter der Bühne, im Schneideraum und am Schreibtisch, im Tonstudio und im Kino. Von Bolivien bis Usbekistan, von Albanien bis Jordanien, stiftet sie zu neuen Perspektiven für Film, Musik und Poesie an, produziert Filme sowie kulturelle Veranstaltungen und arbeitet als Regisseurin, Schauspielerin und Musikerin.

Sie berät Filmfestivals und Kulturinstitutionen, u. a. das Goethe-Institut und die Robert Bosch Stiftung. Als Kuratorin initiiert und realisiert sie Programme und Workshops – den Fokus dabei auf Cross-Media-Projekte und Independent Film Making.

Lehrveranstaltungen im In- und Ausland für Kreatives Schreiben, Cross Media und Dramaturgie. Zusammen mit OSTPOL e. V. produziert sie internationale kulturelle Programme wie das Kurzfilmprogramm ANSICHTSSACHE oder das Experimentalfilmprojekt »lab/p – poetry in motion« für AutorInnen und FilmemacherInnen. Sie ist Mitbegründerin und Co-Direktorin des Entwicklungsprogramms CINEMATCH für unabhängige FilmemacherInnen. Cathy de Haan ist Mitglied der European Film Academy.

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